
Die Verfassung als tägliche Aufgabe
Die Verfassung ist mehr als ein Dokument. Sie ist kein starres Stück Papier, das in Vitrinen liegt und nur zu Jahrestagen hervorgeholt wird. Sie ist ein Echo – ein Widerhall dessen, was uns verbindet. Ein gemeinsamer Rahmen, der uns Orientierung gibt und daran erinnert, dass Freiheit, Gleichheit und Würde keine Selbstverständlichkeit sind, sondern Vereinbarungen, die wir als Gesellschaft getroffen haben. Vereinbarungen, die wir immer wieder neu bestätigen müssen.
Unsere Verfassung ist ein Wertekompass, den wir gemeinsam tragen. Sie lebt nicht in abstrakten Paragrafen, sondern in unserem Handeln: in Haltung, Respekt und der Bereitschaft zuzuhören – auch dann, wenn der Ton rauer wird, wenn der Lärm zunimmt und wenn es einfacher wäre, nur noch die eigene Meinung zu hören.
Wir sind Erbende einer Idee. Generationen vor uns haben Freiheit, Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung nicht nur erträumt, sondern erkämpft. Sie haben Vertrauen in die Zukunft gesetzt – und uns die Verantwortung übertragen, diesen Rahmen weiterzudenken, zu schützen und zu füllen.
Eine Verfassung bleibt nur lebendig, wenn wir sie leben. Wenn wir anerkennen, dass Gemeinschaft nicht bedeutet, immer einer Meinung zu sein. Sondern, dass wir Unterschiedlichkeit aushalten können – und uns trotzdem begegnen. Dass wir Konflikte austragen, ohne den Respekt zu verlieren. Dass wir kritisieren, ohne zu entmenschlichen. Dass wir Freiheit nicht nur für uns einfordern, sondern auch anderen zugestehen.
Gemeinschaft entsteht nicht aus Perfektion. Sie entsteht aus der Bereitschaft, immer wieder anzufangen. Fehler zu benennen, Verantwortung zu übernehmen, Neues zuzulassen. Demokratie ist ein Prozess, kein Zustand. Sie ist niemals fertig. Und sie ist nie selbstverständlich.
Wir schreiben an ihr mit – jeden Tag. Mit unseren Stimmen. Mit unserem Schweigen. Mit unserer Haltung im Kleinen wie im Großen. Dort, wo wir Widerspruch leisten. Dort, wo wir Solidarität zeigen. Dort, wo wir uns erinnern, dass wir Teil eines Ganzen sind.
Meine Kunst entsteht aus dieser Überzeugung: dass wir uns an unsere Freiheit erinnern müssen, damit sie bleibt. Dass Bilder Fragen stellen dürfen. Dass sie halten können, was im Alltag oft verloren geht: Aufmerksamkeit. Nachdenken. Begegnung.
Dieses neue Motiv ist meine Einladung – hinzusehen, zuzuhören, mitzudenken. Nicht perfekt. Aber aufrichtig.
Denn Demokratie beginnt nicht im großen Saal. Sie beginnt dort, wo Menschen sich entscheiden, menschlich zu handeln.